Saraswati ist nämlich die Kreativität. Angenommen z.B., es entsteht eine kleine – das ist jetzt eigentlich nicht wirklich eine Krise, aber so eine kleine Beziehungskrise. Z.B. er will ans Meer fahren und sie will auf die Berge fahren. Jetzt kann man sich darüber streiten oder man sucht sich irgendeinen Ort, wo beides ist, Meer und Berge. So fahre ich z.B. mit meiner Frau dann gerne auf irgendeine Insel, wo es auch hohe Berge gibt. Oder angenommen, sie will in den Ashram und er will gerne Fahrradfahren. Das geht dann auch irgendwo. Z.B. kann man an die Nordsee gehen, dann hat man ein Individualgast-Programm und dann ist man irgendwo zusammen, ob man jetzt im Ashram selbst wohnt oder in der Pension daneben, dann kann man beides miteinander verbinden. Also, Saraswati ist auch Kreativität und heißt auch, die bisherigen Bahnen zu verlassen. Viele Probleme treten auf, weil man starr ist. Und daher ist auch Sharavanabhava manchmal auch ein bisschen gefährlich. Sharavanabhava heißt auch Einpünktigkeit. Und die ist manchmal notwendig, aber oft muss sie gekoppelt sein mit Saraswati. Manchmal kommt man mit dem Kopf durch die Wand, wenn die Wand dünn genug und der Kopf dick genug ist, manchmal ist es leichter, man sucht eine Tür. Dann, Jaya Guru, Shiva Guru. Das heißt, wir bitten um Führung. Guru steht für spiritueller Lehrer und zwar sowohl im weiteren, wie auch im engeren Sinne. Im weiteren Sinne geht man im Yoga davon aus, dass der Lehrer nicht nur körperlich ist, sondern die Ereignisse des Lebens sind unsere Lehrer. Was auch immer passiert, daran können wir lernen. Die schönen Dinge, wie auch die weniger schönen Dinge. Ich nehme an, die meisten von euch sind schon längere Zeit auf dem spirituellen Weg, und selbst wenn der ein oder andere – die Mehrheit hat ja gesagt, sie meditiert schon seit mindestens einem Jahr regelmäßig. Selbst die, die vielleicht auf dem bewussten spirituellen Weg noch nicht so lange sind, haben vermutlich schon den größten Teil ihres Lebens relativ bewusst gelebt. Und wenn ihr zurückschaut, „wann habe ich am meisten gelernt?“, dann ist das oft – nicht immer – dann, wenn das Leben am schwierigsten war. Und oft ist man am meisten weitergekommen, wenn Dinge schiefgegangen sind. Und so sagt ja auch Krishna in der Bhagavad Gita indirekt: „Ob du eine richtige Entscheidung getroffen hast, wird nicht daran gemessen, ob es gut gegangen ist oder nicht.“ Im Gegenteil sagt Krishna: „Gleichmütig in Erfolg und Misserfolg, sollte man handeln.“ Und so bitten wir um Führung. Das ganze Universum hilft uns, zu wachsen, was auch immer kommt, das Leben ist eine Schule, in der wir wachsen können. Und diese Einstellung gilt es, immer wieder von neuem dort aufrechtzuerhalten. Deshalb singen wir auch in den Ashrams das Jaya Ganesha jeden Tag. Morgens und abends und inzwischen haben wir ja relativ häufig vier Satsangs, also es wird in vier verschiedenen Räumen oder in zwei verschiedenen Räumen jeweils zweimal gesungen. Es ist etwas, woran man sich immer wieder von neuem erinnern kann. Man kann sich auch erinnern, ohne das Mantra zu singen, aber es ist eine Hilfe. Wir sind offen, bereit zu lernen. Die nächste Strophe, auch Guru, „Om Adi Guru Advaita Guru, Ananda Guru Om“, ist ein Richten an den inneren spirituellen Lehrer. Adi – ursprünglich, Adwaita – ohne ein Zweites. Das sagt praktisch, letztlich, wir können von allem lernen. Ananda, auch von der Wonne können wir lernen. Ananda Guru oder auch Chid Guru, Chinmaya Guru. Chinmaya und Chid steht auch für das eigene Bewusstsein. Gerade Chinmaya ist ein Ausdruck für Intuition. Wir richten uns an unsere Intuition und wissen auch, da ist eine tiefe Führung. Dazu gehört auch, dass die Führung manchmal uns im Dunkeln tappen lassen will. Das passiert auch. Gerade, kurz bevor ich hierher gefahren bin, heute Morgen mit dem Zug, irgendwie, zehn Minuten bevor ich losgefahren bin, kam ein Mann auf mich zu und sagte: „Ich habe ein Problem.“ Und er wollte von mir noch einen Ratschlag haben. Und dann habe ich gesagt: „Ich muss jetzt noch ein paar Sachen erledigen und in zehn Minuten muss ich zum Bahnhof.“ Da hat er gesagt: „Kann ich mit dir fahren zum Bahnhof?“ Gut, und dann auf der Fahrt zum Bahnhof – das ist nur kurz, zehn Minuten – hat er mich dann etwas gefragt. Er hat mir im Grunde genommen die gleiche Frage gestellt, die er mir seit Jahren immer wieder stellt. So alle halbe Jahre steht er vor einer neuen wichtigen Entscheidung: Was macht er mit dem Rest seines Lebens? Gut, in dem Fall, vor einem Vierteljahr war das das letzte Mal schon die Frage. Und auch das gehört zu den Lektionen. Es gibt manche Menschen, bei denen ist es irgendwo vielleicht eine Phase oder eine länger andauernde Phase der immer wieder Unklarheit. Man weiß nicht: „Was soll ich eigentlich machen?“ Selbst wenn man sich dann entschieden hat, dann wieder, man weiß nicht, was man macht. Und ich meine zwar, irgendwann sollte man sich mal entscheiden und dann bei der Entscheidung bleiben und vielleicht die Sharavanabhava-Energie ein bisschen länger beibehalten, aber die Wege von jedem Menschen sind unterschiedlich. Und auch da gilt es, dass wir das in uns anerkennen. Und auch eine Phase der Ungewissheit, sogar eine Phase der Ungewissheit, „was soll das überhaupt, was soll ich daran lernen?“, ist etwas Wichtiges. So tief kann das Vertrauen in die innere Führung gehen oder auch in die kosmische Führung, dass wir uns bewusst machen: „Ja, selbst die Phasen des Nicht-Wissens, sind die Phasen, wo ich geführt werde. Auch und gerade die Phasen der Unklarheit, sind wichtige Lebensphasen.“ Auch hier, wenn ihr mal zurückschaut, ich vermute, jeder von euch – vielleicht nicht jeder von euch, manche wussten irgendwann genau, was sie wollten, und seitdem halten sie daran fest oder es war irgendwann ein radikaler klarer Wechsel mit klarer Vorstellung. Dennoch, die meisten von euch werden irgendwann eine Phase gehabt haben, wo sie nicht wussten, wie es weiter gehen soll. Und wenn ihr da zurückblickt – also nicht zurückblickt, vor einer Woche, falls das dort war und ihr da vielleicht noch seid, sondern es sollte mindestens ein Jahr zurückliegen – wenn ihr dort zurückblickt, dann werdet ihr feststellen, das war vielleicht sogar eine wertvolle Phase der Unklarheit. Und letztlich wurdet ihr auch dort geführt, dass ihr die Gelegenheit hattet, eine Weile in dieser Unklarheit zu sein. Im Englischen sagt man, in limbo, irgendwo im Niemandsland zu schweben
Niederschrift eines Mitschnittes eines Yoga und Meditation Seminar bei Yoga Vidya mit Sukadev Bretz zum Thema „Persönliche Krisen als Möglichkeiten spirituellen Wachstum“ bei Yoga Vidya Karlsruhe
Dieser Blog Eintrag ist natürlich nur als Inspiration gedacht. Um Yoga und insbesondere Raja Yoga richtig zu lernen, ist der Besuch in einer Yogaschule oder in einem Yoga Zentrum am besten geeignet.
Gerade die Yoga Vidya Zentren bieten viel Kurse in Yoga, Meditation, Ayurveda an, sowohl vom standpunkt der Gesundheit aus gesehen als auch für Persönlichkeit und Spiritualität.
Es macht besonders kreativ, mal eine Weile in einen ganz anderen Lebens-Kontext einzutauchen, z.B. in einer Yoga Vidya Lebensgemeinschaft.